Le Sacre du Printemps (1957/2013/2016)

Rekonstruktion von „Le Sacre du Printemps“ in der Choreographie von Mary Wigman aus dem Jahr 1957

Wigmans Sacre gelangte 1957 an der Städtischen Oper Berlin mit dem dortigen Ballettensemble zur Uraufführung. Von ihrer Choreografie existieren heute lediglich Skizzen, Fotos und Aufzeichnungen, sowie das Wissen der damals an dem Werk beteiligten Tänzerinnen. Auf dieser Grundlage rekonstruierte Henrietta Horn, gemeinsam mit Susan Barnett und Katharine Sehnert die Choreografie.

Unterstützt wurden sie von den ehemaligen Wigman-Schülerinnen und -Tänzerinnen Emma Lew Thomas und Brigitta Herrmann aus den USA. Die beiden Tanzensembles der städtischen Bühnen Osnabrück und Bielefeld brachten die Rekonstruktion dieses Werkes in einer groß angelegten Kooperation mit ihren jeweils zehn TänzerInnen sowie fünf GasttänzerInnen, gespielt vom Osnabrücker Symphonieorchester bzw. den Bielefelder Philharmonikern, im November 2013 auf die Bühne zurück.

Das Bayerische Staatsballett München, Kooperationspartner des Projekts, übernimmt die von Osnabrück/Bielefeld rekonstruierte Fassung von Wigmans „Le Sacre du Printemps“ im Juni 2014 mit 43 TänzerInnen


Choreographie: Mary Wigman

Rekonstruktion: Henrietta Horn (künstlerische Leitung), Susan Barnett, Katharine Sehnert

Beratung und Unterstützung: Brigitta Herrmann, Emma Lewis Thomas, Susanne Linke

Bühne und Kostüm: Alfred Peter (nach Wilhelm Reinking)

Projektleitung: Patricia Stöckemann

Assistenz: Susan McDonald, Miroslaw Zydowicz

Musik: Igor Strawinsky

Licht: Peter Lorenz

Die Erwählte: Vasna Felicia Aguilar, Hsuan Cheng, Anna Eriksson, Hsiao-Ting Liao, Brigitte Uray, Kathrina Wilke

Der Weise: Dirk Kazmierczak

Mütterliche Gestalt: Claudia Braubach

Zwei Priesterinnen: Chris Bauer, Da Soul Chung

Ein Liebespaar: Saori Ando, Ursina Hemmi, Tim Gerhards, Wilson Mosquera Suarez

Ein Jüngling: Gustavo Gomes, Tiago Manquinho

Anführer des Männertanzes: Gianni Cuccaro, Amadeus Marek Pawlica

Chor der Mädchen: Vasna Felicia Aguilar, Saori Ando, Hsuan Cheng, Anna Eriksson, Ursina Hemmi, Anne-Hélène Kotoujansky, Hsiao-Ting Liao, Noemi Emanuela Martone, Brigitte Uray, Léa Thomen, Kathrina Wilke

Chor der Jünglinge: Etienne Aweh, Keith Chin, Gianni Cuccaro, Tim Gerhards, Gustavo Gomes, Christopher Havner, Tiago Manquinho, Wilson Mosquera Suarez, Amadeus Marek Pawlica, Simon Wiersma

Die Gruppe der Ältesten: Miroslaw Zydowicz, Statisterie des Theaters Bielefeld (Maximilian Blasius, Patrick Kaminski, Hans-Jürgen Neumann, Helmut Ritz, Christian Schütz, Norbert Steidl)

Osnabrücker Symphonieorchester

Musikalische Leitung: Daniel Imbal

Bielefelder Philharmoniker

Musikalische Leitung: Alexander Kalajdzic/ Elisa Gogou

Premiere Osnabrück: 9.11.2013

Premiere Bielefeld: 17.11.2013

Die Uraufführung „Le Sacre du Printemps“ von Mary Wigman fand am 24.9.1957 an der Städtischen Oper Berlin statt.

„Le Sacre du Printemps“ wird gefördert von Tanzfonds Erbe – Eine Initiative der Kulturstiftung des Bundes


Trailer Bielefeld

Pressetexte

Die Ästhetik des Stücks

 FAZ, 12. November 2013, Wiebke Hüster

„Puristisch, archaisch, avantgardistisch: Mary Wigmans 1957 uraufgeführtes Ballett ‚Le Sacre du Printemps‘ ist kongenial rekonstruiert worden.“
„In Osnabrück stockte dem Publikum der Atem. Als würde man ein kostbares Tafelbild nach Jahren der Restauration mehrmals wieder der Öffentlichkeit präsentieren können, in frischen Farben, so wirkte ,Sacre‘: Alle Tänzerinnen tragen lange Rasta-Perücken und schlichte ockerfarbene Kleider, die Priesterinnen und die ‚Mütterliche Gestalt‘ graue Kutten und Hauben, die Männer Erdtöne. Die ‚Erwählte‘ aber, bei der Premiere von Hsiao-Ting Liao getanzt, sieht aus wie Martha Graham mit ihrer kirschroten, bodenlangen eleganten Robe. Getanzt auf einer Elipse, die wie eine auf der Bühne abgestellte stufenhohe aber nach hinten ansteigende Plattform aussieht, mutet die Ästhetik des Stücks zugleich archaisch und modern an – Strawinskys Idee sehr gemäß. […] Das bezwingende finale Solo stammt nicht von Mary Wigman, auch nicht von der Originalbesetzung Dore Hoyer, sondern wurde aus Bruchstücken von Erinnerungen der Beteiligten, sorgfältigem Archiv-Studium aller schriftlicher Niederlegungen und Fotografien von Henrietta Horn imaginiert. Es ist so redlich gefertigt wie die ganze Rekonstruktion, die den Blick der Gegenwart auf Mary Wigman tatsächlich verändert, indem es sie als eine Modernere ausweist, als anzunehmen war.“

Eine …ehrgeizige Aufgabe, die die beiden Häuser und das Rekonstruktionsteam bravourös gemeistert haben

die-deutsche-buehne.de, 11. November 2013, Bettina Weber

„Einzig mit Skizzen und Notizen Wigmans, mit Fotos und Erinnerungen damals beteiligter Tänzerinnen ausgestattet, hat das Team um die Künstlerische Leiterin Henrietta Horn in einem aufwendigen Rekonstruktionsprozess die Inszenierung für die Bühne ,zurück‘ erarbeitet. […] Die Komposition Strawinskys, deren Herausforderungen das Osnabrücker Symphonieorchester unter der musikalischen Leitung von Daniel Inbal sich offenbar mühelos stellt, hat noch heute einen verstörenden Charakter, der auf wilde Art das Innerste des Menschen anzurühren vermag. […] Dominant sind auch die langen Kostüme, die Ausstatter Alfred Peter den Originalen aus den Fünfziger Jahren nachempfunden hat, die aber durch futuristische Schnitte angemessen modernisiert wirken. Hsiao-Ting Liao, die im symbolisch blutroten Kleid in der Osnabrücker Premiere die Erwählte tanzt (die Besetzung wechselt), zentriert mit ungeheurer darstellerischer Kraft die Aufmerksamkeit auf das Opfer und tanzt die Figur mit großer Präzision und persönlicher Haltung. […] Zweifellos ist hier ein Stück Tanzgeschichte vitalisiert geworden, das diesen Abend zu einem der wichtigsten des Sacre-Jahres 2013 macht. Eine wuchtige und ehrgeizige Aufgabe, die die beiden Häuser und das Rekonstruktionsteam bravourös gemeistert haben.“

Die Gruppe bewegte sich wie aus einem Guss

Neue Osnabrücker Zeitung, 11. November 2013

„Er machte leicht Frösteln, der starke Sog der einigen Menge und der Musik, die das Opfergeschehen unerbittlich anfeuerte. Dabei tanzten das Osnabrücker und Bielefelder Ensemble, ergänzt durch einige Gäste, fantastisch: Die 29-köpfige Gruppe bewegte sich wie aus einem Guss. […] Bleiche Anspannung im Gesicht der atemberaubenden konzentrierten Solotänzerin Hsiao-Ting Liao, krampfendes Schwanken ihres Körpers, ekstatische Drehbewegungen mit dem plötzlichen innehalten, wie es Mary Wigman praktiziert hat: Diesem von der Choreografin Henrietta Horn rekreierten einstigen Solo Dore Hoyers sieht man nicht an, dass es auf kaum mehr als Erinnerungen der Wigman-Tänzerinnen bauen konnte. […]

Ein erschütterndes Dokument der Nachkriegszeit

Berliner Zeitung, 18. November 2013

Mary Wigmans „Sacre“ ist ein erschütterndes Dokument der Nachkriegszeit. Gerade in seinem Versuch des Festhaltens dessen, was nicht zu halten ist, beschwört es einen unglaublichen Schrecken. Was für ein Kulturverlust die Nicht-Pflege des Tanzerbes bedeutet, macht dieser Tanzabend eindringlich deutlich.