Auftaucher 2013 | WA

Premiere:
8. Januar 2013, Folkwang Universität der Künste Essen

Choreographie:
Henrietta Horn

Tanz:
Vladislav Bondarenko, Luiza Braz Batista, Ching-Yu Chi, Darwin Jose Díaz Carrero, Chang-Wen Hsu, Kyungwoo Kwon, Blanca Noguerol Ramirez, Julian Stierle, Tsai Wei Tien, Sergey Zhukov (FTS), Linda Pilar Brodhag, Cagdas Ermis, Ying-Chi Chen, Shan Gao, Roshanak Morrowatian, Victor Zapata (M.A.)

Licht:
Reinhard Hubert

Kostüme:
Anne Bentgens

Ton:
Thomas Wacker

Musik:
fanfare pourpour, Lalo Schifrin, Ondekoza, Fanfare Ciocarlia

Assistenz:
Raymond Liew Jin Pin (M.A.)

Es tanzen Mitglieder des Folkwang Tanzstudios (FTS) und Studierende des Masterstudiengangs Tanzkomposition (M.A.).

Spieldauer:
43 Minuten

Produktion:
Folkwang Tanzstudio / Institut für Zeitgenössischen Tanz

Künstlerische Leitung Folkwang Tanzstudio:
Prof. Rodolpho Leoni

Mitarbeit:
Claudia Lüttringhaus

Uraufführung:
2001, Jakarta/Indonesien

Tänzer*innen der Uraufführung:
Tanja Berg, Lisa Brus, Francisco Cuervo, Gabrio Gabrielli, Soo-Jin Yim Heil, Francesco Pedone, Erika Pico, Manuel Quero, Franko Schmidt, Nandini Thomas

Ausgewählte Pressetexte

Dagmar Schenk Güllich, NRZ, 11.01.2013

Getanzte Poesie und feurige Ausbrüche

Folkwang zeigt sich wieder mal von seiner mitreißendsten Seite: Drei Choreografinnen dreier Generationen präsentieren ihre Werke – eines davon eine Uraufführung, die anderen beiden brillante Neueinstudierungen.

…Henrietta Horns „Auftaucher“ ist in der Neueinstudierung noch turbulenter geworden. Knisternde Spannung zwischen den Paaren, Humor, mitreißendes Temperament, Aggression verselbstständigen sich und werden auf die Spitze getrieben. Zwei Kampfhähne werden aufeinander gehetzt. Ihre Auseinandersetzung aber wird nur durch die Anspannung ihrer Muskeln, ihre Atmung, ihr Vibrieren dargestellt.

Henrietta Horn schält den Kern einer emotionalen Bewegung heraus und zeigt ihn nackt und isoliert im Tanz. Begeisterter Beifall in der Neuen Aula.

Marieluise Jeitschko, Tanznetz.de, 9.1.2013

FERNÖSTLICHE POESIE UND MÄNNLICHE MUSKELSPIELE

Folkwang Tanzstudio feiert Premiere

Das neue, dreiteilige Programm des Folkwang Tanzstudios beginnt mit einer hinreißenden Bilderflut fernöstlicher Poesie und Kampfsportästhetik in Fang-Yu Shens „For the Unsaid“. Vor dem bühnenhohen Gemälde einer Schneelandschaft unter endlos weitem Himmel mit schemenhaft sichtbarem Vollmond tanzen sich zu partita-artigen Celloklängen sieben superbe Tänzer aus Alltagslangeweile in eine träumerische Trance. Wunderbar die so authentisch fernöstlich wirkenden Solos und das Duett von Ching-Yu Chi und Chang-Wen Hsu, brillant das Kabinettstücken von Sergey Zhukov auf einem Rollerblade-Schuh (am rechten Fuß) und die kraftvollen Kampfsportsprünge und -posen von Darwin Jose Diaz Carrero. Aus plötzlichem Stillstand entstehen reizvolle Tableaus.

Die Taiwanesin Fang-Yu Shen begann schon mit 16 Jahren zu choreografieren. Sie war 2011 die erste Absolventin des Folkwang-Studiengangs „Tanzkomposition“ und erhielt bereits mehrere Auszeichnungen. Ein erstaunliches Talent!

Reichlich zwanzig Minuten nur dauert die Uraufführung des Abends, „Birke“ von Malou Airaudo, der unvergesslichen Pina-Bausch-Tänzerin der 1970er und 1980er Jahre. Seit 1984 unterrichtet sie an der Folkwang-Tanzabteilung, tanzte viele Jahre lang aber auch noch die für sie kreierten Rollen beim Tanztheater Wuppertal.

Zu Holzscheiten zerhackte Birkenäste liegen verstreut auf der Bühne. Aus dem Off hört man es knistern und rascheln: der gefällte Baum wird offenbar weiter entlaubt und zerstückelt. Später ist auf dem Rückprospekt ein blattloses Bäumchen zu sehen (keine Birke – vielleicht der zierliche Nachbar, der nun genug Lebensraum zum Wachsen hat?).

Es spricht eine große Sehnsucht nach Nähe und Liebe aus den Tanzbildern: die winzige Tsai Wei Tien steht reglos zwischen den Astteilen. Der baumlange Julian Stierle nähert sich ihr. Sie springt immer wieder in seine Arme, sinkt schräg auf seinen Rücken. Hinten sitzt auf dem Baumstumpf Luiza Braz Batista, hält die Hände wie in tiefer Trauer vors Gesicht. Immer mehr Menschen kommen – tanzen, rasten auf einem kleinen Birkenpflock (erstaunlich, wie sicher sie die Balance halten!) – trauern wohl auch um den toten Baum. Eine sammelt die Scheite auf, wiegt sie zärtlich im Arm wie ein Baby….

Mit 16 Tänzerinnen und Tänzern anstelle der originalen zehn hat Henrietta Horn ihren großen Erfolg von 2001 „Auftaucher“ als temporeichen, fetzig witzigen Rausschmeißer einstudiert. Erst stehen tatsächlich, wie damals, acht Stühle auf der Bühne. Aber dann stellt jemand – einladend – noch mehr dazu. Da entspinnen sich witzige, berührungslose Bewegungs-Dialoge – am schönsten das „Duell“ zweier Machos nur mit degenscharfen Blicken und eine rasante Tango-Nummer für alle. Ein Großsprecher wird von Kastagnetten, die aber nur zirpen und klappern wie die Warnung von Klapperschlangen, mundtot gemacht. Später entfacht er ein furioses Trommelfeuer auf seinem Körper und der Stuhlkante. Das Finale vereint alle Schreihälse, Streithähne und Körperkünstler wie zum temperamentgeladenen, chaotischen Karnevalsumzug. Big-Band-Fanfaren und Drummer-Rhythmen heizen die Stimmung an. Tosender Applaus!